Fleischlose Ernährung ist ein Megatrend: Dinge, die Wurst oder Hack heißen, aber aus Pflanzen bestehen, sind aus keinem Supermarkt mehr wegzudenken. Die Vielfalt des Angebots wird immer größer, die Nachfrage steigt und das gewiss nicht nur, weil Fleischproduktion und -konsum ökologisch und moralisch höchst bedenklich sind. Vor diesem Hintergrund fällt das folgende Geständnis nicht leicht: Ich hege großen Respekt für Vegetarier – und für Veganer noch mehr. Aber ich selbst zähle definitiv zu den Carnivoren.Weniger wäre mehr
Ich esse Fleisch und ich esse es gern. Womöglich, weil ich (typisch für die Generation der in den 1960er- bis 1970er-Jahren Geborenen) damit aufgewachsen bin. Über Sonntagsbraten, Grillabende oder das Wurstbrot wurde nicht viel nachgedacht. Fleisch war beliebt, billig, massenhaft verfügbar. Das hat sich stark verändert: Fleischkonsum und Fleischproduktion werden seit den 80er Jahren in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Der Verzehr von Fleisch hat seitdem ständig abgenommen, doch es ist keineswegs so, dass die Menschen in Deutschland auf Fleisch verzichteten. Mit fast 60 kg pro Kopf und Jahr ist das Niveau seit 30 Jahren konstant hoch – auch wenn wir wissen, dass weniger Fleisch auf dem Teller besser für die Welt ist.
Fleischlos glücklich?Selbstverständlich mache auch ich mir Gedanken über die CO2-Bilanz der Tierhaltung, Ausbeutung im Fleisch verarbeitenden Gewerbe und selbstverständlich achte ich auch auf meine Gesundheit. Vor allem möchte ich nicht als völlig gestrig gelten, nur weil ich den Duft und den Geschmack von Gebratenem liebe. Was also tun? Ist die Lust auf Fleisch nur eine Gewohnheit, die mit etwas Disziplin überwunden werden kann? Zeitweise habe ich den Verzicht auf Fleisch versucht. Zunächst habe ich Fleischersatzprodukte probiert. Fand ich gar nicht übel, aber beim Blick auf die Zutatenliste frage ich mich, ob derart hoch verarbeitete industrielle Lebensmittel wirklich besser sind als ein hochwertiges Stück Fleisch? Beim ernährungs-medizinisch empfohlenen Basenfasten sind Fleisch, Zucker und Milchprodukte tabu. Habe ich auch probiert und festgestellt: Das gibt ein gutes Körpergefühl. Also wurde aus Gründen der Vernunft und aus Überzeugung die Einkaufsliste dauerhaft auf Grün umgestellt – mit viel Gemüse, Salat, Pilzen etc.
Gefühl schlägt Vernunft
Im Ergebnis sieht mein Speiseplan nun ein bisschen wie früher aus: Einmal in der Woche gibt es richtig gutes Fleisch, hier mal etwas Fisch, dort mal etwas Huhn. Qualität vor Quantität — das klingt nicht nur gut, das klappt auch gut: Das Essen schmeckt, ich bin gesättigt, fühle mich fit. Doch dann gab es diese Einladung zum Grillabend, und ich bildete mir ein, nie hätte ein Steak besser geschmeckt. Seitdem erwische ich mich öfter an der Metzgertheke statt am Gemüsestand. Genauso, wie ich manchmal Obst kaufen möchte und dann doch Kuchen mitnehme. Essen ist eben auch ein hochemotionaler Akt. Es befriedigt Lust, weckt positive Erinnerungen und umhüllt mit wohliger Vertrautheit. Deshalb darf bei mir das Gefühl die Vernunft ab und zu einfach mal überstimmen.
Fotos oben: Grillen: © istockfoto.com/Jovanmandic, © istockfoto.com/stock_colors
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