30.000 v. Chr. irgendwo in Europa: Zwei Steinzeitmenschen ritzen Zeichen in einen Knochen. Es ist ihre Art, die tage zu zählen oder eine Anzahl von Dingen wie Schafe oder Speere festzuhalten. Szenenwechsel. 1910 auf einer Alm in den Schweizer Alpen: Zwei Bauern ritzen Zeichen in einen Holzstab. Der eine hat beim anderen Schulden. Den Stab haben sie zunächst in zwei Teile gespalten. Dann werden in beide Hälften identische Muster eingeritzt. Sie zeigen, wie hoch die Schulden sind, die der Gläubiger einfordern darf. Jeder bekommt eine Hälfte als Nachweis für die Abmachung. So wissen beide, was der Schuldner „auf dem Kerbholz“ hat.
Nicht manipulierbar
Die Bauern wenden eine uralte Buchführungsmethode an. Was die Steinzeitmenschen in Ermangelung einer Schrift praktizierten, wurde auch in späteren Epochen intensiv gepflegt, selbst wenn es inzwischen ausgefeiltere Mittel und Wege des Zählens, Rechnens und der Buchhaltung gab. Aber das gute alte Kerbholz kam einfach nicht aus der Mode – nicht bei den Römern, nicht im Mittelalter, nicht im alten China, nicht einmal in der Zeit Kaiser Napoleons oder im aufgeklärten England des 19. Jahrhunderts.
Ganz besonders lang erfreute sich die Merkhilfe einer großen Beliebtheit bei den traditionsbewussten Bergbauern der Schweizer Alpen. Während in der Finanzmetropole Zürich globale Transaktionen über die Bühne gingen, genügte ihnen für ihre Geschäfte immer noch der schlichte Stab aus der Steinzeit.
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